Imaging and Mapping Eastern Europe: Katarzyna Murawska-Muthesius’ neuestes Buch wirft einen ikonologischen Blick auf Europäismus
Autor/in: Katarzyna Wakuła
Veröffentlicht am November 18, 2021
Forschungen aus soziologischer, politischer und religiöser Sicht sowie Bezüge zur griechischen Mythologie finden sich in zahlreichen Veröffentlichungen über (Mittel-)Osteuropa. Eine hervorragende Ergänzung zu diesen Forschungsmethoden ist der visuelle Kontext. Das beweist unter anderem das neueste Buch von Katarzyna Murawska-Muthesius Imaging and Mapping Eastern Europe (2021).
Was ist Osteuropa und wie verstehen wir es heute? Obwohl im letzten Vierteljahrhundert eine Fülle von Veröffentlichungen zu diesem geopolitischen Thema erschienen sind, ist die Antwort auf diese Frage noch immer nicht klar. Als politisches Konstrukt ist Osteuropa aus der Konferenz von Jalta 1945 hervorgegangen. Sie bestand aus Ungarn, Polen, Rumänien, Bulgarien und der Tschechoslowakei. Zu sagen, dass Osteuropa die Summe seiner Einzelstaaten ist, ist jedoch viel zu wenig. Durch den Eisernen Vorhang vom Westen getrennt, war diese Region jahrelang mit dem Stigma der Randlage behaftet und wurde sowohl in Westeuropa als auch in der ehemaligen Sowiet Union als marginal behandelt.
Die Notwendigkeit, Osteuropa einen neuen Rang und eine anerkannte Position auf der geopolitischen Landkarte Europas zu geben, wurde von Piotr Piotrowski in seinem mittlerweile klassischen Buch Awangarda w cieniu Jalty (2005) hervorgehoben. Das Buch Imaging and Mapping Eastern Europe. Sarmatia Europea to Post-Communist Bloc von Katarzyna Murawska-Muthesius setzt dieses akademische Thema fort, bietet aber eine tiefe ikonologische Perspektive an auf das östliche Gebiet der Jalta-Ordnung. Die Autorin wendet eine Vielzahl von Forschungsmethoden an und geht über das Feld der Kunstgeschichte hinaus, indem sie sich ausführlich mit postkolonialer Theorie, Semiotik, Psychoanalyse, Literaturkritik und Kartographie beschäftigt.
Das Buch zeichnet die visuelle Repräsentation Osteuropas nach, untersucht seine Ikonosphäre von der ersten Europakarte im Jahr 1460 bis in die Gegenwart und erforscht die Mechanismen der Gestaltung von Raum und Körper durch Kartierung und Bildgebung. Es besteht aus fünf Kapiteln, die jeweils einem bestimmten visuellen Medium gewidmet sind, das im Prozess der bildlichen Konstruktion Osteuropas als Region entscheidend ist. Diese sind: die Karte, die räumliche Dimensionen aufzeigt und wissenschaftliche Genauigkeit beansprucht, das Reisebild und der Comic, die beide Körperlichkeit und Kleidung kommentieren, und Buchumschläge über Ostmitteleuropa, ein wirkungsvolles Instrument zur Wiederherstellung der verblassenden Ikonographie der Region im neuen Jahrtausend. Wie die Autorin in der Einleitung schreibt, zeichnet das Buch “die Mechanismen der sozialen Konstruktion des Visuellen und der visuellen Konstruktion des Sozialen nach”.
Alle Kapitel von Imaging and Mapping Eastern Europe basieren konzeptionell auf dem Begriff der Slaka, der Malcolm Bradbury in seinem Buch Rates of Exchange eingeführt hat. Ein Slaka ist ein Land, das “einmal groß, einmal klein war und jetzt praktisch nicht mehr existiert”. Murawska-Muthesius’ Buch erforscht die diskontinuierlichen Prozesse der Kartierung Osteuropas und seiner Menschen. Von Renaissancekarten, auf denen das sarmatische Europa dargestellt ist, über Bilder von Frauen in ethnischer Kleidung auf Balkan-Reiseberichten bis hin zu Karikaturen in der Presse, von der Kartografie des Kalten Krieges bis hin zu Bildern von protestierenden Menschenmengen auf zeitgenössischen Titelseiten.
Das Buch Imaging and Mapping Eastern Europe. Sarmatia Europea to Post-Communist Bloc ist durch und durch interdisziplinär, mutig und wichtig für die wissenschaftliche Forschung. Es setzt neue Akzente im Denken über Osteuropa und trägt dazu bei, seine Bedeutung auf der Weltkarte zu festigen.
Katarzyna Murawska-Muthesius, Imaging and Mapping Eastern Europe. Sarmatia Europea to Post-Communist Bloc, Routledge 2021.
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